Staatsgalerie Stuttgart - Niederländische Malerei
Niederländische Malerei bis 1700 in der Stuttgarter Staatsgalerie
Im Gebiet des heutigen Belgiens und der Niederlande entwickelte sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein neuer Malstil. Der bisherige ikonenhafte Motivdarstellung änderte sich beim Übergang der mittelalterlichen Gotik in die mit der Renaissance beginnende Neuzeit in eine natürliche Abbildung des Gemäldeinhalts. Das bedeutet, Personen weisen eine korrekte Anatomie auf, die komplette Szenerie erhält durch die Anwendung der Zentralperspektive eine sehr realistisch wirkende Tiefe. Anhand des Werks „Einzug Christi in Jerusalem“ das Jan van Amstel um 1540 mit Öl auf Eichenholz malte, erläuterte Kunsthistoriker Andreas Pinczewski in der Stuttgarter Staatsgalerie in seiner unnachahmlichen, lockeren Art und Weise, gepaart mit viel Interaktion mit seinem Publikum, diese neue malerische Sichtweise den SportKultur Kunstfreunden. Ein weiteres Frühwerk der sich zum Realismus hin verändernden Malerei, ist das ausführlich erläuterte Werk „Bathseba im Bade“ von Hans Memling. Dieses fast 1x2 m große, hochformatige Bild, zeigt bis dahin unbekannte Feinheiten auf. Sei es König David, der im Hintergrund vom Nebenhaus aus seine von ihm begehrte Nachbarin lüstern beim Ausstieg aus dem Badezuber beobachtet, seien es die Wassertröpfchen auf ihrem Oberschenkel oder die feinen Äderchen auf ihrer Brust. Memling hat einen Detailreichtum in das Gemälde eingebracht, der durchaus einen fast mikroskopischen Realismus darstellt. Die unrühmliche Geschichte von Lust, Ehebruch und provoziertem Tod, um die Mutter des weisen Königs Salomo, findet sich in der Bibel im 2. Buch Samuel im 11. Kapitel.
Mit der Zeit veränderten sich die Sujets der Malerei. Religiöse Werke waren weniger nachgefragt als weltliche. Die stolzen Patrizier aus den reichen Handelsstädten wie Brügge, Gent, Lüttich, Antwerpen und später Amsterdam bevorzugten weltliche Motive wie Portraits, dramatische Landschaften und kostbare Stillleben. Die Sammlung der Staatsgalerie beherbergt viele Kunstwerke aus diesem sog. „Goldenen Zeitalter“, in dem die Niederlande eine politisch, wirtschaftliche sowie künstlerische Glanzzeit erlebten. Die Kunstproduktion brachte Werke von hohem Rang, künstlerischem Reichtum und erstaunlicher Vielfalt hervor. Die Malerei hatte sich von den Zünften gelöst, die Künstler waren zu Freiberuflern ohne Einfluss von außen auf ihre Arbeit geworden. Ein erster Sammlermarkt entstand, es wurde auf Bestellung gemalt. Die Herren Rubens in Antwerpen und Rembrandt in Amsterdam betrieben regelrechte Malfabriken mit über 100 Gehilfen und brachten es dadurch zu beachtlichem Wohlstand. Andere Maler warfen weniger auf den Markt. Sie arbeiteten nach dem Motto: „Willst du was gelten, mach‘ dich selten“. Dieses Geschäftsmodell füllte die Schatullen ebenfalls mit vielen Gulden von Kaufleuten und Adel. Eine der ersten Malerinnen war Clara Peeters (1594- 1657) deren phantastische Stillleben von Blumensträußen, üppigen, gekonnt arrangierten Obstkörben und anderen Lebensmitteln, fast fotorealistisch wirken. Willem Kalf, gen. „Zitronen-Kalf“ (1619-1693) brachte ein Stillleben ums andere mit Zitronen auf die Leinwand. Wildromantische Landschaften hatten es Jacob Isaack van Ruisdael (1628-1682) angetan. In Stuttgart wird seine „Waldlandschaft mit Bach“, die um 1660 entstanden ist, gezeigt. Ohne Übertreibung darf man feststellen, dass die Stuttgarter Staatsgalerie mit den Werken der niederländischen Maler einen großen, sehenswerten Schatz in ihrer Dauerausstellung im Untergeschoss des historischen Altbaus von 1843 beherbergt.
Text und Foto: Norbert Klotz