Altes Schloss - Protest
von Werner Rehm
SKS-Kulturfreunde zwischen „Uffrur“ und „Oben bleiben“

Seit dem Bauernkrieg sind 500 Jahre ins Land gegangen. Doch bis heute ist der Aufstand der Rechtlosen „Wider die Fürstenwillkür“ immer noch in Erinnerung. Das Mittelalter ging zu Ende, die Epoche der Neuzeit hatte begonnen. Mit der Reformation kam frischer Wind in die verkrustete Allianz zwischen Adel und Klerus. Der eben erst erfundene Buchdruck erlaubte es, die neuen Gedanken schnell und einfach zu verbreiten. Daher ist der Bauernkrieg in Archiven und Museen bestens dokumentiert. Neben der Großen Landesausstellung in Bad Schussenried ist dieses Ereignis Basisthema für mehrere Ausstellungen quer durch die baden-württembergische Museumslandschaft, die sich mit der geschichtlichen, politischen und kulturellen Einordnung gesellschaftlicher Konflikte bis hin zu Revolutionen beschäftigen.
Die Kunst- u. Kulturfreunde der SportKultur Stuttgart haben die empfehlenswerte Mitmachausstellung „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ im Landesmuseum Württemberg im Stuttgarter Alten Schloss besucht. Thematisiert sind neben dem Bauernkrieg, vor allem Proteste der Nachkriegszeit. Mit profunden Kenntnissen hat Kunsthistorikerin Barbara Marschner in lockerem Dialog, von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern längst in den Synapsen der Erinnerung abgelegte Bewegungen, wieder ins Gedächtnis gerufen. Man erinnerte sich an die Studentenbewegung, die in Hamburg als Protest gegen die verknöcherten Verhältnisse an den Universitäten und in der Gesellschaft mit dem Slogan „Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren“ ihren Anfang nahm. Der Ruf „Mein Bauch gehört mir!“ wurde schnell zum Leitsatz bei Demonstrationen zur Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft. Vielen im Gedächtnis haften geblieben ist die über 100 km lange Menschenkette vom Oktober 1983 gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Mutlangen auf der Ostalb. Bis heute ist landesweit das prägnante „Oben bleiben!“ das allseits bekannte Motto des Stuttgart-21-Widerstands.
Zum demokratischen Grundrecht auf Protest und Widerstand durch den mündigen Bürger gehört unweigerlich auch die Beschäftigung und die Auseinandersetzung mit dessen Ausdrucksformen. Mit Schweigemärschen wird z.B. an Opfer von Gewaltherrschaft, Terror und Verbrechen gedacht. Lauthals machen Demonstranten bei der Forderung nach höherem Lohn und besseren Arbeitnehmerrechten auf sich aufmerksam. Stationäre Kundgebungen eignen sich bestens, wortgewaltigen Rednerinnen und Rednern Aufmerksamkeit und Forum zu gewähren sowie den Protestierenden ihr kollektives Demonstrations- und Solidaritätserlebnis zu schenken. Keinesfalls ausgelassen sind in der Ausstellung die unschönen Seiten, die bei brisanten Themen und großen Menschenansammlungen mit teilweise aufgeheizter Atmosphäre, auftreten. Demonstrationen arten durch militante, auf Krawall gebürstete Hasardeure leider immer wieder in Gewalt, Chaos und regelrechte Straßenschlachten mit der Polizei aus. Die Öffentlichkeit schüttelt darüber verärgert den Kopf, wendet sich mit Grausen ab und ruft nach strengen Maßnahmen des Staates gegen die Chaoten. Als symbolisches Beispiel für Gewaltanwendung steht in den Museumsräumen eine Autokarosserie. Wer meint, sein Mütchen kühlen zu müssen, kann eine Keule mit den Händen fest umfassen und darf damit das Fahrzeugblech ungestraft nach Lust und Laune malträtieren.
Text und Fotos: Norbert Klotz
Info: https://www.landesmuseum-stuttgart.de/ausstellungen/protest